Vorbeigehen am Damm des
Teichs und der Ewigkeit Petr Chelčický
und Mikuláš Biskupec von Pelhřimov
Anfang
der 20er Jahre des 15. Jahrhunderts. Die aus den Fugen geratene Zeit war
wahnsinnig, und es schien, als ob die hundertjährige Weltordnung zusammenbräche. Man
erwartete schon die zweite Ankunft des Messias, das erste apokalyptische Siegel Beráneks
brach entzwei, man wartete und wartete aber nur, und plötzlich begann alles, sich
verdächtig in die Länge zu ziehen.
Im Frühling
1422 weilte Biskupec aus Tábor in Písek/Pisek und Vodňany/Wodnian, und weil Chelčický
schon zu dieser Zeit für einen Klügler galt, nutzte er die Gelegenheit aus und bat ihn
um ein Treffen. Sie trafen sich am Damm eines der Teiche von Vodňany/Wodnian und in einem
langen - es scheint auch freundlichen - Gespräch erklärten sie sich gegenseitig ihre
Ansichten zum christlichen Zentraldogma - vom Wesen der Eucharistie. Auge in Auge einigten
sie sich, zum Schluß versprach Biskupec, die Literatur aus Tábor nach Chelčice zu
schicken - und dadurch begann eigentlich der ganze Fall. Als Chelčický die Traktate aus
Tábor studierte, konnte er nicht aufhören sich zu wundern: das reale Treffen mit
Biskupec unterschied sich von dem auf Papier wie Tag und Nacht. Deswegen schrieb auch er
einen Traktat und schickte ihn schnell nach Tábor. Er verteidigte darin seinen Standpunkt
über die volle geistige Anwesenheit Gottes in einer konsekrierten Hostie und bestand auf
entsprechender Achtung davor. Das radikale hussitische Nest wurde dadurch stark empört.
Uns so dauerte es nicht lange, und Chelčický traf Biskupec wieder, zuerst in
Písek/Pisek, dann in Chelčice und dann wieder in Písek/Pisek. Das erste, von beiden
Seiten entgegenkommende Treffen auf dem Damm wurde vergessen, Biskupec konnte nicht mehr
zwischen den Worten aus dem Mund und aus der Feder lavieren, und der Streit über die
Eucharistie wurde zu einem unverhohlenen Haß. Die Eichen auf dem Damm krachten im Wind,
und die irrenden Menschen darunter blieben allein.
Die Geschichte
des ganzen Streits erklärte Chelčický in der Einleitung von Replika proti Mikuláši
Biskupcovi (1425). Es ist kein Zufall, daß gerade diese Stelle - wie eine der wenigen
im Werk des geheimnisvollen Chelčický - das Innere des Autors seinen künftigen Lesern
entdeckt.
Chelčický
nimmt im christlichen Denken dieselbe Stellung ein wie das Christentum in der Menschheit
überhaupt.
Lev N. Tolstoj, 1898
Auswahlbibliographie von Petr Chelčický:
Handschriften:
20er Jahre des 15. Jahrhunderts - O boji duchovním, O církvi svaté, O trojiem
lidu řeč, O těle božím
30er Jahre des 15. Jahrhunderts - Postila, kniha výkladuov spasitedlnych
nach 1440 - Siet viery pravej
Drucke:
Siet viery pravej, 1521
Kniha výkladuov spasitedlnych, 1522 |